Nachrichten
22.03.2023
Von Anfang an – Jean-Marie Heyligen im Trinkhall-Museum
Beeindruckende Einzelausstellung in Lüttich klingt ausUnter dem Titel „D´entrée de jeu...“ sieht man in den monografischen Ausstellungen des Lütticher Trinkhall Museums bis in die letzten Märztage 2023 eine spannende Auswahl aus dem bildnerischen Werk von Jean-Marie Heyligen (Belgien, geb. 1961). Im Wechselspiel von geschnitzten, gefärbten und bearbeiteten Holzskulpturen, farbiger Acrylmalerei und schwarz-weißen Linoldrucken fesseln bei Heyligen eigenwillige Darstellungen von Figuren und Gesichtern – mal sehr konkret, mal abstrakter oder mit extravaganten Accessoires (wie Löffel und Schlüssel) versehen.
Seit über vierzig Jahren widmet sich der Künstler in verschiedenen Techniken gekonnt und beständig seinen Motiven: seien es prägnante Gesichtszüge, verlassene und nackte Körper, Indianer aus einer anderen Welt, Ritter aus einer fremden Zeit, kriegerisch wie friedvoll Anmutendes – verwoben in ungelöste Rätsel von Formen, Linien, Materialien, Farben, Bildern und Dingen. „Das Langzeitwerk von Jean-Marie Heyligen ist der geordnete, sich ständig verwandelnde Nippes all dessen, was uns von der Kindheit bis zum Mann heimlich begegnet“, liest man in der Künstlerbeschreibung des Trinkhall Museums für Kunst von Menschen mit so genannten mentalen und psychosozialen Handicaps, gelegen im Avroy Park von Liège.
Wichtig zu erwähnen ist dabei, dass Jean-Marie Heyligen zu den Pionieren der kreativen „Werkstattbewegung“ in der Wallonie gehört. Als früher Bewohner des Heims André Livémont in Beloeil, lernte er 1980 Bruno Gérard kennen, einen jungen Berufskünstler, der von der Einrichtung gerade als Malwerkstatt-Leiter eingestellt worden war. Die beiden jungen Männer sind gleichaltrig, in den Zwanzigern. Die Rollen von Meister und Schüler verwischen und verschwinden alsdann. Sich gegenseitig inspirierend und katalysierend, bestechen die Arbeiten von J.M.H. durch ihre Transparenz, Exaktheit und Energie sowie durch eine ihnen innenwohnende geheimnisvolle Autonomie seit damals. So arbeitet er bis heute (Centre La Pommeraie, Ellignies-Sainte-Anne) unermüdlich und unbeirrt an und in seinem exquisiten Darstellungskosmos.
- © Beitrag mit Foto: G. Peitz, BKS Saar 2023 -
www.trinkhall.museum/Seit über vierzig Jahren widmet sich der Künstler in verschiedenen Techniken gekonnt und beständig seinen Motiven: seien es prägnante Gesichtszüge, verlassene und nackte Körper, Indianer aus einer anderen Welt, Ritter aus einer fremden Zeit, kriegerisch wie friedvoll Anmutendes – verwoben in ungelöste Rätsel von Formen, Linien, Materialien, Farben, Bildern und Dingen. „Das Langzeitwerk von Jean-Marie Heyligen ist der geordnete, sich ständig verwandelnde Nippes all dessen, was uns von der Kindheit bis zum Mann heimlich begegnet“, liest man in der Künstlerbeschreibung des Trinkhall Museums für Kunst von Menschen mit so genannten mentalen und psychosozialen Handicaps, gelegen im Avroy Park von Liège.
Wichtig zu erwähnen ist dabei, dass Jean-Marie Heyligen zu den Pionieren der kreativen „Werkstattbewegung“ in der Wallonie gehört. Als früher Bewohner des Heims André Livémont in Beloeil, lernte er 1980 Bruno Gérard kennen, einen jungen Berufskünstler, der von der Einrichtung gerade als Malwerkstatt-Leiter eingestellt worden war. Die beiden jungen Männer sind gleichaltrig, in den Zwanzigern. Die Rollen von Meister und Schüler verwischen und verschwinden alsdann. Sich gegenseitig inspirierend und katalysierend, bestechen die Arbeiten von J.M.H. durch ihre Transparenz, Exaktheit und Energie sowie durch eine ihnen innenwohnende geheimnisvolle Autonomie seit damals. So arbeitet er bis heute (Centre La Pommeraie, Ellignies-Sainte-Anne) unermüdlich und unbeirrt an und in seinem exquisiten Darstellungskosmos.
- © Beitrag mit Foto: G. Peitz, BKS Saar 2023 -
20.03.2023
MuSeele – Ungewöhnliches im Dachgeschoss
Psychiatriemuseum im Christophsbad GöppingenDas Christophsbad Göppingen ist ein Krankenhaus in privater Trägerschaft. Die Klinikgruppe umfasst fünf Gesundheitseinrichtungen an verschiedenen Standorten zwischen Stuttgart und der Schwäbischen Alb. Das Krankenhaus in Göppingen wurde 1852 durch Dr. Heinrich Landerer gegründet. Im Dachgeschoss des historischen „Badhauses“ (mit Ursprüngen im ausgehenden 15. Jahrhundert), dem ältesten Gebäude auf dem dortigen Gelände, befindet sich das Psychiatriemuseum MuSeele, betrieben vom 2004 gegründeten gleichnamigen Verein.
DER MENSCH LÄSST SICH NICHT AUF SEINE HIRNFUNKTIONEN REDUZIEREN
Mit künstlerischem Akzent werden hier Themen der Seelen- und Nervenheilkunde beleuchtet. Man versucht dies in einem umfassenden Konzept, das über das Pathologische hinausgehen soll. Mit den Museumbemühungen will man „emotional berühren, manchmal auch irritieren; Gewissheiten sind selten. Dabei sind wir integriert im psychiatrischen Gesundheitswesen .. Wir hoffen auf eine humane und soziale Psychiatrie und haben keine Berührungsängste mit der sogenannten Antipsychiatrie. Wir sind: die Mitglieder des Vereins MuSeele e.V., Betroffene, KlinikmitarbeiterInnen, an dem Thema grundsätzlich Interessierte.“ So heißt es in der Selbstdarstellung auf der Website. Die Psychiatrie versteht man als umstrittene Institution – „für viele Menschen irgendwie unheimlich“, wozu auch die wechselhafte und zum Teil tragische Geschichte beigetragen habe. In der öffentlichen Diskussion will man deshalb kritisch sein, Hemmschwellen und Vorurteile abbauen, ohne noch heute bestehende Probleme zu beschönigen. Der Besucher soll sich sein eigenes Urteil bilden. Themengebiete und Exponate werden multimedial präsentiert. Der Mensch, auch wenn er Patient sei, lasse sich nicht auf seine Hirnfunktionen reduzieren: „Dabei bewegt sich die Psychiatrie in einem Spannungsfeld, in welchem Biochemie und Philosophie, Spiritualität und Pädagogik, ein aufgeklärtes Menschenbild und differenzierte Therapie aufeinandertreffen“, liest man weiter auf der Homepage.
Vor 200 Jahren war die Situation unmenschlich: Betroffene wurden in Kerkern und Ketten gehalten. Die Gräueltaten im Deutschland der NS-Zeit sind bekannt. Zum Erinnern an Täter und Opfer ist vom Christophsbad für den 21. April 2023 (15.00 Uhr) eine Gedenkveranstaltung der Klinik für die im nationalsozialistischen Deutschland ermordeten Patienten bzw. Psychiatrieopfer angekündigt.
MITTWOCH & SONNTAG GEÖFFNET – ZUSÄTZLICH LITERATURANGEBOTE
Das MuSeele ist mittwochs von 16 bis 18 Uhr und am Sonntag von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Als Eintritt zahlt man 2 Euro. Führungen sind nach Absprache (bis 20 Personen kosten einmalig 30 € mehr) möglich. Die genaue Adresse und Kontaktdaten lauten: MuSeele e.V., Museum für Psychiatrie. Klinikum Christophsbad, Faurndauer Straße 6-28, 73035 Göppingen. Telefon 07161/601-9712 bzw. -8488, E-Mail: info@museele.de, Website unter http://museele.de. Publikationen des Hauses sind im Museum, z.T. im Klinik-Café, per E-Mail und telefonisch erhältlich bzw. bestellbar.
An Literatur wird zum Beispiel angeboten: „Besuchen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“. Eine Tour durch Deutschlands Museen für Medizin und Pharmazie (Bd. 1 Norddeutschland / Bd. 2 Süddeutschland), hrsg. von Eckart Roloff und Karin Henke-Wendt im Hirzel Verlag, für je 29,90 Euro (zusammen 49 Euro); „Verortungen der Seele. Locating the Soul“. Psychiatrie-Museen und verwandte Einrichtungen in Europa. Dt.-engl. von Gisela Schmid-Krebs und Rolf Brüggemann. 288 Seiten mit zahlreichen farbigen Abbildungen, Mabuse-Verlag 2007, 18 Euro; „Die Seele ist ein Oktopus“. Antike Vorstellungen vom belebten Körper (Woraus besteht die Seele, wie steuert sie den menschlichen Körper und wo ist ihr Sitz im Körper? Was geschieht, wenn ein Mensch krank wird, und was trägt zu seiner Heilung bei? Antike Mediziner und Philosophen stellten sich Fragen wie diese, um zu verstehen, was der Mensch ist und wie er funktioniert). Katalog zur Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit dem MuSeele 2018 im Klinikum Christophsbad gezeigt wurde. Hrsg. von Uta Kornmeier, 12 Euro; „Kettenmenschen – Chain People“. Broschüre zur Ausstellung zum Umgang mit psychisch Erkrankten in Westafrika. Hrsg. vom MuSeele, Göppingen 2015, 3 Euro
DER STURM IST DA, DIE WILDEN MEERE HUPFEN
Jakob van Hoddis, geboren als Hans Davidsohn 1887 in Berlin, gestorben 1942: Der Dichter des Expressionismus wurde besonders bekannt mit seinem Gedicht „Weltende“ (1911 erstmals veröffentlicht in der Berliner Zeitschrift ‚Der Demokrat‘). Rund siebzig weitere Poeme erschienen in den Avantgardeblättern ‚Die Aktion‘ und ‚Der Sturm‘, geprägt von starker Chiffrierung und dadaistischen Tönen, mit grotesk-skurrilen Inhalten in schwarzem Humor oder (scheinbar) naiver Formulierung. Familiäre und persönliche Krisen und Konflikte führten Hoddis nach 1912 in mehrere psychiatrische Anstalten, darunter 1927 nach Göppingen in die Privatklinik Christophsbad für so genannte Gemüts- und Nervenkranke, wo er sechs Jahre verblieb. Unter der nationalsozialistischen Barbarei wurde er ins besetzte Polen deportiert und (vermutlich) im Vernichtungslager Sobibór ermordet.
An ihn und sein Schicksal erinnert in Göppingen ein Denkmal im Garten des Klinikgeländes. In der Stadt trägt zudem ein Wohnheim für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen seinen Namen, das Jakob-van-Hoddis-Haus des VIADUKT Hilfen für psychisch Kranke e.V.
Weltende
Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
In allen Lüften hallt es wie Geschrei.
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei,
Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.
Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.
(Zitiert nach: Jakob van Hoddis: Dichtungen und Briefe, Arche Verlag, Zürich 1987)
DIE SEELENPRESSE
Die Klinik gibt auch ein besonderes Periodikum heraus: Nach eigenen Angaben ist die Seelenpresse ( – Für Psychiatrie, Kunst und Literatur) die älteste Psychiatriezeitschrift in Deutschland. In der Konzeption angelegt „von und für Patienten, Heimbewohner, Angehörige, Psychiatrieinteressierte, Mitarbeiter, Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen“, besteht dementsprechend das Redaktionsteam aus Patient*innen, Mitarbeitenden der Einrichtungen sowie Ehrenamtlichen und Interessierten. Das Schreiben selbst ist dabei zentrales Anliegen des Teams, ergänzt durch Beiträge aus Gastautorenschaft. Mitmachen erwünscht. Das Heft erscheint regulär mit zwei Print-Ausgaben im Jahr und wird für 1 Euro (3,50 Euro bei Versand) abgegeben. Ein Jahresabo kostet 8 Euro. Bezug vor Ort im Café in der Klinik oder per Versand nach Fernbestellung. Redaktionssitzung ist dienstags ab 15.30 Uhr. Kontakt: Seelenpresse, Dorit Paul (verantwortliche Redakteurin), Postfach 840, 73008 Göppingen. Telefon 0/7161601-9368 mit AB, E-Mail unter seelenpresse@christophsbad.de
Im vergangenen Jahr hatte das Zeitungsteam zum Tag der Seelischen Gesundheit am 10. Oktober eigens ein Theaterstück präsentiert. Satirisch monierten die Akteure darin Missstände in der Psychiatrie: Aus vielen, von Betroffenen und Mitarbeitenden aus deutschen Psychiatrien zusammengetragenen Punkten wurde eine ernst gemeinte Anklage in künstlerischer Form erhoben. Im Anschluss wurde die Ausstellung „Seelenpresse für die Psychiatrie“ organisiert, die im Christophsbad noch bis zum 3. April 2023 zu sehen ist.
© Text: G. Peitz, März & April 2023 / Seelenpresse-Cover (2021) by Veranstalter, Medieninfo
www.museele.deDER MENSCH LÄSST SICH NICHT AUF SEINE HIRNFUNKTIONEN REDUZIEREN
Mit künstlerischem Akzent werden hier Themen der Seelen- und Nervenheilkunde beleuchtet. Man versucht dies in einem umfassenden Konzept, das über das Pathologische hinausgehen soll. Mit den Museumbemühungen will man „emotional berühren, manchmal auch irritieren; Gewissheiten sind selten. Dabei sind wir integriert im psychiatrischen Gesundheitswesen .. Wir hoffen auf eine humane und soziale Psychiatrie und haben keine Berührungsängste mit der sogenannten Antipsychiatrie. Wir sind: die Mitglieder des Vereins MuSeele e.V., Betroffene, KlinikmitarbeiterInnen, an dem Thema grundsätzlich Interessierte.“ So heißt es in der Selbstdarstellung auf der Website. Die Psychiatrie versteht man als umstrittene Institution – „für viele Menschen irgendwie unheimlich“, wozu auch die wechselhafte und zum Teil tragische Geschichte beigetragen habe. In der öffentlichen Diskussion will man deshalb kritisch sein, Hemmschwellen und Vorurteile abbauen, ohne noch heute bestehende Probleme zu beschönigen. Der Besucher soll sich sein eigenes Urteil bilden. Themengebiete und Exponate werden multimedial präsentiert. Der Mensch, auch wenn er Patient sei, lasse sich nicht auf seine Hirnfunktionen reduzieren: „Dabei bewegt sich die Psychiatrie in einem Spannungsfeld, in welchem Biochemie und Philosophie, Spiritualität und Pädagogik, ein aufgeklärtes Menschenbild und differenzierte Therapie aufeinandertreffen“, liest man weiter auf der Homepage.
Vor 200 Jahren war die Situation unmenschlich: Betroffene wurden in Kerkern und Ketten gehalten. Die Gräueltaten im Deutschland der NS-Zeit sind bekannt. Zum Erinnern an Täter und Opfer ist vom Christophsbad für den 21. April 2023 (15.00 Uhr) eine Gedenkveranstaltung der Klinik für die im nationalsozialistischen Deutschland ermordeten Patienten bzw. Psychiatrieopfer angekündigt.
MITTWOCH & SONNTAG GEÖFFNET – ZUSÄTZLICH LITERATURANGEBOTE
Das MuSeele ist mittwochs von 16 bis 18 Uhr und am Sonntag von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Als Eintritt zahlt man 2 Euro. Führungen sind nach Absprache (bis 20 Personen kosten einmalig 30 € mehr) möglich. Die genaue Adresse und Kontaktdaten lauten: MuSeele e.V., Museum für Psychiatrie. Klinikum Christophsbad, Faurndauer Straße 6-28, 73035 Göppingen. Telefon 07161/601-9712 bzw. -8488, E-Mail: info@museele.de, Website unter http://museele.de. Publikationen des Hauses sind im Museum, z.T. im Klinik-Café, per E-Mail und telefonisch erhältlich bzw. bestellbar.
An Literatur wird zum Beispiel angeboten: „Besuchen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“. Eine Tour durch Deutschlands Museen für Medizin und Pharmazie (Bd. 1 Norddeutschland / Bd. 2 Süddeutschland), hrsg. von Eckart Roloff und Karin Henke-Wendt im Hirzel Verlag, für je 29,90 Euro (zusammen 49 Euro); „Verortungen der Seele. Locating the Soul“. Psychiatrie-Museen und verwandte Einrichtungen in Europa. Dt.-engl. von Gisela Schmid-Krebs und Rolf Brüggemann. 288 Seiten mit zahlreichen farbigen Abbildungen, Mabuse-Verlag 2007, 18 Euro; „Die Seele ist ein Oktopus“. Antike Vorstellungen vom belebten Körper (Woraus besteht die Seele, wie steuert sie den menschlichen Körper und wo ist ihr Sitz im Körper? Was geschieht, wenn ein Mensch krank wird, und was trägt zu seiner Heilung bei? Antike Mediziner und Philosophen stellten sich Fragen wie diese, um zu verstehen, was der Mensch ist und wie er funktioniert). Katalog zur Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit dem MuSeele 2018 im Klinikum Christophsbad gezeigt wurde. Hrsg. von Uta Kornmeier, 12 Euro; „Kettenmenschen – Chain People“. Broschüre zur Ausstellung zum Umgang mit psychisch Erkrankten in Westafrika. Hrsg. vom MuSeele, Göppingen 2015, 3 Euro
DER STURM IST DA, DIE WILDEN MEERE HUPFEN
Jakob van Hoddis, geboren als Hans Davidsohn 1887 in Berlin, gestorben 1942: Der Dichter des Expressionismus wurde besonders bekannt mit seinem Gedicht „Weltende“ (1911 erstmals veröffentlicht in der Berliner Zeitschrift ‚Der Demokrat‘). Rund siebzig weitere Poeme erschienen in den Avantgardeblättern ‚Die Aktion‘ und ‚Der Sturm‘, geprägt von starker Chiffrierung und dadaistischen Tönen, mit grotesk-skurrilen Inhalten in schwarzem Humor oder (scheinbar) naiver Formulierung. Familiäre und persönliche Krisen und Konflikte führten Hoddis nach 1912 in mehrere psychiatrische Anstalten, darunter 1927 nach Göppingen in die Privatklinik Christophsbad für so genannte Gemüts- und Nervenkranke, wo er sechs Jahre verblieb. Unter der nationalsozialistischen Barbarei wurde er ins besetzte Polen deportiert und (vermutlich) im Vernichtungslager Sobibór ermordet.
An ihn und sein Schicksal erinnert in Göppingen ein Denkmal im Garten des Klinikgeländes. In der Stadt trägt zudem ein Wohnheim für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen seinen Namen, das Jakob-van-Hoddis-Haus des VIADUKT Hilfen für psychisch Kranke e.V.
Weltende
Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
In allen Lüften hallt es wie Geschrei.
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei,
Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.
Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.
(Zitiert nach: Jakob van Hoddis: Dichtungen und Briefe, Arche Verlag, Zürich 1987)
DIE SEELENPRESSE
Die Klinik gibt auch ein besonderes Periodikum heraus: Nach eigenen Angaben ist die Seelenpresse ( – Für Psychiatrie, Kunst und Literatur) die älteste Psychiatriezeitschrift in Deutschland. In der Konzeption angelegt „von und für Patienten, Heimbewohner, Angehörige, Psychiatrieinteressierte, Mitarbeiter, Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen“, besteht dementsprechend das Redaktionsteam aus Patient*innen, Mitarbeitenden der Einrichtungen sowie Ehrenamtlichen und Interessierten. Das Schreiben selbst ist dabei zentrales Anliegen des Teams, ergänzt durch Beiträge aus Gastautorenschaft. Mitmachen erwünscht. Das Heft erscheint regulär mit zwei Print-Ausgaben im Jahr und wird für 1 Euro (3,50 Euro bei Versand) abgegeben. Ein Jahresabo kostet 8 Euro. Bezug vor Ort im Café in der Klinik oder per Versand nach Fernbestellung. Redaktionssitzung ist dienstags ab 15.30 Uhr. Kontakt: Seelenpresse, Dorit Paul (verantwortliche Redakteurin), Postfach 840, 73008 Göppingen. Telefon 0/7161601-9368 mit AB, E-Mail unter seelenpresse@christophsbad.de
Im vergangenen Jahr hatte das Zeitungsteam zum Tag der Seelischen Gesundheit am 10. Oktober eigens ein Theaterstück präsentiert. Satirisch monierten die Akteure darin Missstände in der Psychiatrie: Aus vielen, von Betroffenen und Mitarbeitenden aus deutschen Psychiatrien zusammengetragenen Punkten wurde eine ernst gemeinte Anklage in künstlerischer Form erhoben. Im Anschluss wurde die Ausstellung „Seelenpresse für die Psychiatrie“ organisiert, die im Christophsbad noch bis zum 3. April 2023 zu sehen ist.
© Text: G. Peitz, März & April 2023 / Seelenpresse-Cover (2021) by Veranstalter, Medieninfo
10.03.2023
„nebeneinander – miteinander – durcheinander“
H-TEAM-Künstlerpreis 2023 als internationaler FotowettbewerbÄhnlich wie die Betroffenenorganisation Selbsthilfe SeelenLaute Saar im vergangenen Jahr, schreibt der Münchner Hilfsverein H-TEAM in 2023 einen künstlerischen Wettbewerb in der Sparte Fotografie für jedermann aus. Das Thema lautet hier: „nebeneinander – miteinander – durcheinander“. Alle Interessierten sind eingeladen teilzunehmen und sich mit einer digital eingereichten Fotoarbeit zu bewerben. Die internationale Ausschreibung steht auf der Veranstalter-Homepage als PDF im Download zur Verfügung. Der Bewerbungsschluss ist regulär mit dem 31. Mai datiert.
Ausgelobt werden: 1. Preis: 1.000 Euro, 2. Preis: 500 Euro und zwanzig weitere Preise zu je 100 Euro. Eine fünfköpfige Fachjury entscheidet über die Vergabe. Schirmfrau des Wettbewerbs ist die Schauspielerin Maria Peschek. Ausstellungseröffnung und Preisverleihung sind für den 27. Juli in den Münchner Räumlichkeiten des Veranstalters geplant. Weitere Details werden zeitnah bekanntgegeben, vor allem auf der eigenen Website.
Kontakt & Ansprechpartner: H-TEAM e.V., Torsten Sowa (Öffentlichkeitsarbeit), Tel. 089/747 36 2-0, E-Mail: kunst@h-team-ev.de, Plinganserstraße 19, 81369 München
www.h-team-ev.de/aktuelles/Ausgelobt werden: 1. Preis: 1.000 Euro, 2. Preis: 500 Euro und zwanzig weitere Preise zu je 100 Euro. Eine fünfköpfige Fachjury entscheidet über die Vergabe. Schirmfrau des Wettbewerbs ist die Schauspielerin Maria Peschek. Ausstellungseröffnung und Preisverleihung sind für den 27. Juli in den Münchner Räumlichkeiten des Veranstalters geplant. Weitere Details werden zeitnah bekanntgegeben, vor allem auf der eigenen Website.
Kontakt & Ansprechpartner: H-TEAM e.V., Torsten Sowa (Öffentlichkeitsarbeit), Tel. 089/747 36 2-0, E-Mail: kunst@h-team-ev.de, Plinganserstraße 19, 81369 München