Nachrichten

17.05.2025
MIT DER AUSDRUCKSKRAFT DER FRAGILITÄT
Trinkhall Lüttich feiert 5 Jahre Neueröffnung mit Doppel-Ausstellung und mehrDas belgische Kunst- und Dokumentationszentrum Trinkhall (vormals MadMusée) beherbergt, beforscht, sammelt und zeigt als 1998 gestartetes Lütticher Museum hochwertige Bildende Kunst von autodidaktischen Künstler*innen mit geistigen oder psychosozialen Beeinträchtigungen und Besonderheiten aus Belgien, Europa und der ganzen Welt, um deren starke innere und äußere Ausdruckskraft öffentlich zu machen. Die Wurzeln liegen im 1979 von Luc Boulangé gegründeten Verein Créahm (Création et Handicap Mental), der dieses Ziel (bis heute) vor allem mit künstlerischen Werkstatt-Ateliers, einem Tageszentrum und entsprechenden Aktivitäten unterstützt. Den gängigen Terminus „Outsider Art“ vermeidet man gerne.
Seit 2020 arbeitet das Trinkhall Museum konzentriert aus dem modern neu gebauten eigenen Haus im Avroy Park. Nachdem im vergangenen Jahr eine S.O.S.-Schockmeldung die aufgeschlossene Bevölkerung und Kunstwelt wegen fehlender Gelder aus der Wallonie für diese wichtige kulturell-gesellschaftliche Adresse in Sorge brachte, ist die Finanzierung der Einrichtung - die lobenswert viel mit Schulen zusammenarbeitet und auch eine gut sortierte Fachbibliothek vorhält - für die nächste Zukunft laut Direktor Carl Havelange inzwischen gesichert. So kann im Jubiläumsjahr 2025 nicht nur mit zwei im Mai parallel eröffneten Ausstellungen gebührend gefeiert werden, sondern zusätzlich ein attraktives Rahmenprogramm mit Kolloquien, Publikationen, Konzerten, Vorträgen oder auch Künstlerresidenzen das Publikum von nah und fern einladen.
Selbsthilfe SeelenWorte RLP zu Besuch in Liège und Eupen
Auch die Kreativ-Selbsthilfeinitiative SeelenWorte RLP (Sitz Saarburg/Trier) hatte eine Einladung nach Lüttich erhalten, worauf ein leitendes Mitglied von dort (dank Reisekostenunterstützung aus GKV-Selbsthilfe-Pauschalfördermitteln) die neuen Ausstellungen als Fortbildungstermin zu Psychiatrieerfahrenen-Kunst, Teilhabe, Gesundheit und Inklusion im Ländervergleich sowie für den vernetzenden, grenzübergreifenden Erfahrungsaustausch wahrnehmen konnte. Dem diente ergänzend ein Abstecher ins deutschsprachige Ostbelgien nach Eupen, wo man in kleiner interner Runde mit dortigen Betroffenen und Selbsthilfeaktiven - man pflegt hier in Bezug aufs benachbarte Deutschland v.a. Selbsthilfekontakte nach Aachen - das Thema Selbsthilfe-Öffentlichkeitsarbeit für seelische Gesundheit im Café Kelleter erörterte und die von SeelenWorte RLP (mit)herausgegebene Selbsthilfe-Zeitung SEELENLAUTE mit Exemplaren der Nr. 71 übergeben und ausgelegt werden konnte. Eine originäre Publikation dieser Art gibt es aus Ostbelgien nicht, sodass die SEELENLAUTE heute selbst hier (wie ebenso in St. Vith) Leser*innen hat.
„Mélancolies“ – Themenausstellung bis April 2026
Das Museum schreibt zum Titel der neuen Themenausstellung, dass quasi ein melancholischer Passatwind die Sammlung (das Haus besitzt weit über 3.000 Werke) in den letzten fünf Jahren entwickelt habe. Dabei gelte: „Melancholie ist weder Freude noch Traurigkeit; weder Erinnerung noch Vergessen; weder Schönheit noch Hässlichkeit; weder Hoffnung noch Verzweiflung; weder Begierde noch Entsagung; weder Mangel noch Fülle, sondern der Ort, von dem aus jeder von uns der andere ist und von dem aus wir unaufhörlich werden“, wie es in der Ankündigung heißt. Mit Werken mehrheitlich aus Belgien wie von Véronique Declercq, Maria Pace oder Sylvain Cosijns, von Mattias Johansson (Inuti, Schweden), Ronny McKenzie vom Glasgow Ability Project, aus den USA (Creativity explored) von Bertha Othoya oder von Dorothy Berry (Australien). Herausstechend die Tusche-Portraits von Francesco Romiti (Italien), der zu Lebzeiten Verbindung zum La Tinaia-Atelier in Florenz hatte. Dieser Kosmos ist im Trinkhall bis 05.04.2026 zu entdecken.
„Eine Welt für sich“ – Monografische Ausstellung bis Oktober 2025
Im Fokus steht die spannende Künstlerin Inês Andouche. 1951 in Brüssel geboren, lebte sie mit ihrer Herkunftsfamilie zunächst im Kongo. Zurück in Europa waren die Schweiz und Frankreich die nächsten Stationen. Von 1983 bis 1988 war sie Mitglied der Créahm-Werkstätten in Brüssel. Seit 1988 lebt und arbeitet Inês im Centre de Hemptinne in Jauche (Brabant). In ihrem Werk werden schwarze Kreise und große, flache Farbflächen, klare Linien, warmes oder kaltes Licht kreiert, immer gesättigt, Gesichter ohne Augen und Augen ohne Blick. Wer ist eine Person und wer nicht? Eine Chimäre, ein Vogel, ein Objekt, ein Monster, eine Landschaft? Wer spricht und wer schweigt? Es gibt keine Tiefe mehr, weder nah noch fern. Alles wird, wie in einer einzigen Geste, dorthin geworfen, Menschen und Dinge erstarren zu gleichen Teilen im Moment ihrer Metamorphose, einsam, zusammen und souverän. Die Welt läuft unter der Haut von Inès Andouche, lagert sich auf dem Malgrund ab. Haut gegen Haut: eine Welt für sich. Zu bestaunen im Trinkhall bis 26.10.2025
• Trinkhall Museum, Parc d’Avroy 1 in B-4000 Liège. Kontakt: Tel. +32 4 222 32 95, info@trinkhall.museum. DI-FR 9 bis 17 Uhr, SA/SO 10 bis 18 Uhr
© Text & Foto: Gangolf Peitz, Büro für Kultur- und Sozialarbeit Saar 2025
www.trinkhall.museumSeit 2020 arbeitet das Trinkhall Museum konzentriert aus dem modern neu gebauten eigenen Haus im Avroy Park. Nachdem im vergangenen Jahr eine S.O.S.-Schockmeldung die aufgeschlossene Bevölkerung und Kunstwelt wegen fehlender Gelder aus der Wallonie für diese wichtige kulturell-gesellschaftliche Adresse in Sorge brachte, ist die Finanzierung der Einrichtung - die lobenswert viel mit Schulen zusammenarbeitet und auch eine gut sortierte Fachbibliothek vorhält - für die nächste Zukunft laut Direktor Carl Havelange inzwischen gesichert. So kann im Jubiläumsjahr 2025 nicht nur mit zwei im Mai parallel eröffneten Ausstellungen gebührend gefeiert werden, sondern zusätzlich ein attraktives Rahmenprogramm mit Kolloquien, Publikationen, Konzerten, Vorträgen oder auch Künstlerresidenzen das Publikum von nah und fern einladen.
Selbsthilfe SeelenWorte RLP zu Besuch in Liège und Eupen
Auch die Kreativ-Selbsthilfeinitiative SeelenWorte RLP (Sitz Saarburg/Trier) hatte eine Einladung nach Lüttich erhalten, worauf ein leitendes Mitglied von dort (dank Reisekostenunterstützung aus GKV-Selbsthilfe-Pauschalfördermitteln) die neuen Ausstellungen als Fortbildungstermin zu Psychiatrieerfahrenen-Kunst, Teilhabe, Gesundheit und Inklusion im Ländervergleich sowie für den vernetzenden, grenzübergreifenden Erfahrungsaustausch wahrnehmen konnte. Dem diente ergänzend ein Abstecher ins deutschsprachige Ostbelgien nach Eupen, wo man in kleiner interner Runde mit dortigen Betroffenen und Selbsthilfeaktiven - man pflegt hier in Bezug aufs benachbarte Deutschland v.a. Selbsthilfekontakte nach Aachen - das Thema Selbsthilfe-Öffentlichkeitsarbeit für seelische Gesundheit im Café Kelleter erörterte und die von SeelenWorte RLP (mit)herausgegebene Selbsthilfe-Zeitung SEELENLAUTE mit Exemplaren der Nr. 71 übergeben und ausgelegt werden konnte. Eine originäre Publikation dieser Art gibt es aus Ostbelgien nicht, sodass die SEELENLAUTE heute selbst hier (wie ebenso in St. Vith) Leser*innen hat.
„Mélancolies“ – Themenausstellung bis April 2026
Das Museum schreibt zum Titel der neuen Themenausstellung, dass quasi ein melancholischer Passatwind die Sammlung (das Haus besitzt weit über 3.000 Werke) in den letzten fünf Jahren entwickelt habe. Dabei gelte: „Melancholie ist weder Freude noch Traurigkeit; weder Erinnerung noch Vergessen; weder Schönheit noch Hässlichkeit; weder Hoffnung noch Verzweiflung; weder Begierde noch Entsagung; weder Mangel noch Fülle, sondern der Ort, von dem aus jeder von uns der andere ist und von dem aus wir unaufhörlich werden“, wie es in der Ankündigung heißt. Mit Werken mehrheitlich aus Belgien wie von Véronique Declercq, Maria Pace oder Sylvain Cosijns, von Mattias Johansson (Inuti, Schweden), Ronny McKenzie vom Glasgow Ability Project, aus den USA (Creativity explored) von Bertha Othoya oder von Dorothy Berry (Australien). Herausstechend die Tusche-Portraits von Francesco Romiti (Italien), der zu Lebzeiten Verbindung zum La Tinaia-Atelier in Florenz hatte. Dieser Kosmos ist im Trinkhall bis 05.04.2026 zu entdecken.
„Eine Welt für sich“ – Monografische Ausstellung bis Oktober 2025
Im Fokus steht die spannende Künstlerin Inês Andouche. 1951 in Brüssel geboren, lebte sie mit ihrer Herkunftsfamilie zunächst im Kongo. Zurück in Europa waren die Schweiz und Frankreich die nächsten Stationen. Von 1983 bis 1988 war sie Mitglied der Créahm-Werkstätten in Brüssel. Seit 1988 lebt und arbeitet Inês im Centre de Hemptinne in Jauche (Brabant). In ihrem Werk werden schwarze Kreise und große, flache Farbflächen, klare Linien, warmes oder kaltes Licht kreiert, immer gesättigt, Gesichter ohne Augen und Augen ohne Blick. Wer ist eine Person und wer nicht? Eine Chimäre, ein Vogel, ein Objekt, ein Monster, eine Landschaft? Wer spricht und wer schweigt? Es gibt keine Tiefe mehr, weder nah noch fern. Alles wird, wie in einer einzigen Geste, dorthin geworfen, Menschen und Dinge erstarren zu gleichen Teilen im Moment ihrer Metamorphose, einsam, zusammen und souverän. Die Welt läuft unter der Haut von Inès Andouche, lagert sich auf dem Malgrund ab. Haut gegen Haut: eine Welt für sich. Zu bestaunen im Trinkhall bis 26.10.2025
• Trinkhall Museum, Parc d’Avroy 1 in B-4000 Liège. Kontakt: Tel. +32 4 222 32 95, info@trinkhall.museum. DI-FR 9 bis 17 Uhr, SA/SO 10 bis 18 Uhr
© Text & Foto: Gangolf Peitz, Büro für Kultur- und Sozialarbeit Saar 2025